Hört dein Smartphone zu?
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Aktiv zuhörende Werbung - ja, das geht.
Ist es dir auch schon mal passiert, dass du auf deinem Smartphone Werbung ausgespielt bekommst, nachdem du mit jemandem über ein Thema oder ein Produkt gesprochen hast? Fast so, als würde dein Smartphone dir zuhören? Manchmal cool, manchmal aber auch fast schon übergriffig oder unangenehm, denn dieses leichte, mulmige Gefühl in der Magengegend, das geht nicht ganz weg.
Na und hört mein Smartphone denn jetzt zu?
Ob deins speziell - das können wir nicht beantworten, aber Unternehmen setzen immer häufiger auf Active Listening Software, um Gespräche über Smartphone-Mikrofone mitzuhören und gezielte Werbung zu schalten. Doch wie funktioniert diese Technologie, welche Risiken birgt sie, und wie kannst du dich davor schützen? Wir haben hierzu mal recherchiert.
Was sind Active Listening Ads?
Der Begriff Active Listening stammt aus der Kommunikationswissenschaft und beschreibt eine Methode des aktiven Zuhörens. Dabei richtet der Zuhörer seine volle Aufmerksamkeit bewusst auf den Sprecher, um dessen Botschaft wirklich zu erfassen, anstatt lediglich passiv zuzuhören. Ziel dieser Technik ist es, ein tieferes Verständnis des Gesagten zu gewinnen und auch Konflikte vorzubeugen.
Active Listening Software ist eine Technologie, die über die Mikrofone von Smartphones, Laptops und anderen Geräten Gespräche in der Umgebung aufnimmt und analysiert. Anders als Sprachassistenten wie Siri oder Alexa, die nur auf Aktivierungsworte reagieren, ist Active Listening permanent aktiv und filtert gezielt Inhalte heraus, die für Werbezwecke genutzt werden können.
Diese Technologie wurde ursprünglich für Anwendungen wie Sprachbefehle oder maschinelles Lernen entwickelt. Doch das Potenzial liegt auf der Hand und die Möglichkeiten für personalisierte Werbung ebenso - eine Entwicklung, die heftige Diskussionen um Datenschutz und Privatsphäre auslöste.
Ein Leak: Wie Unternehmen Gespräche für Werbung nutzen
Natürlich fragt man sich, ob das nur Fiktion ist, ob wir schon in so einer Welt angekommen sind oder ob es das vielleicht wirklich gibt.
Tatsache ist: Es ist passiert und zwar im größeren Stil. Ende 2023 enthüllte die Online-Plattform 404 Media ein Pitch Deck der Cox Media Group (CMG), welches zuvor geleaktet wurde. Es zeigt, wie Gespräche in der Nähe von Smartphones zur Optimierung von Werbeanzeigen genutzt wurden. Die Technologie, bekannt als Predictive Audience Technology, kombinierte Sprachdaten mit anderen Verhaltensdaten, wie Suchanfragen oder Website-Besuchen, um ein präzises Profil der Nutzer*innen zu erstellen. Google, Facebook und Amazon wurden im Pitch Deck als Partnerunternehmen genannt, distanzierten sich jedoch nach der Enthüllung von dieser Praxis.
Die eingesetzte KI soll anschließend die Daten auswerten, um die gewonnenen Erkenntnisse für Werbung zu gewinnen und diese noch stärker zu personalisieren und anzupassen.
Das Beispiel der CMG zeigt, wie fortschrittliche KI-Modelle genutzt werden, um Gespräche in Echtzeit auszuwerten und daraus Targeting-Optionen für Werbekunden abzuleiten. Die genaue Funktionsweise bleibt jedoch oft unklar – etwa, ob die Software nur aktiv wird, wenn das Mikrofon eingeschaltet ist, oder ständig im Hintergrund läuft.
Google entfernte die Cox Media Group umgehend aus seinem Partnerprogramm. In einer Stellungnahme hieß es: „Alle Werbeanbieter müssen die geltenden Gesetze und Vorschriften sowie unsere Google-Ads-Richtlinien einhalten, und wenn wir Anzeigen oder Inserenten identifizieren, die gegen diese Richtlinien verstoßen, werden wir entsprechende Maßnahmen ergreifen.“ Amazon betonte gegenüber Online Magazinen, wie TECHBOOK, zu keinem Zeitpunkt beteiligt gewesen zu sein und dies auch künftig nicht zu planen.
Die CMG äußerte sich ebenfalls öffentlich. Das Unternehmen erklärte, man habe „niemals Gespräche abgehört oder Zugriff auf andere Daten gehabt, abgesehen von aggregierten, anonymisierten und vollständig verschlüsselten Datensätzen, die von Drittanbietern bereitgestellt werden und für Werbezwecke genutzt werden dürfen.“ Zudem betonte die CMG, ausschließlich mit Daten zu arbeiten, deren Erhebung und Nutzung die Nutzer ausdrücklich zugestimmt hätten.
Warum Active Listening problematisch ist
Eigentlich liegt das hier auf der Hand, wir haben trotzdem mal gesammelt, aus welchen Gesichtspunkten eine solche Form der Werbung schwierig sein kann. Los geht’s.
Eingriff in die Privatsphäre: Geräte, die ständig zuhören, können sensible Informationen erfassen – von Gesprächen über Finanzen bis hin zu persönlichen Beziehungen. Diese Daten können nicht nur von Werbetreibenden genutzt, sondern auch bei Sicherheitslücken von Dritten missbraucht werden.
Manipulation durch Daten: Werbung, die auf Gesprächen basiert, kann Kaufentscheidungen beeinflussen, ohne dass Nutzerinnen sich dessen bewusst sind. Dieser Diskussionsgrund ist auf jeden Fall ethischer Natur.
Sicherheitsrisiken: Die Speicherung und Übertragung von Audiodaten birgt das Risiko von Cyberangriffen. Hacker könnten Zugriff auf private Gespräche erhalten.
Unwissenheit der Nutzer*innen: Viele Menschen wissen nicht, dass ihre Geräte mithören, da Mikrofonberechtigungen oft unbemerkt bei der Installation von Apps erteilt werden. Und noch ist es so, dass wir zustimmen müssen, wenn unsere Daten für Werbezwecke eingesetzt werden.
Rechtslage in Deutschland
Ist das überhaupt legal? Kann und darf das einfach so passieren?
Leider können solche Dinge immer passieren, egal ob sie legal sind oder nicht. Aber trotzdem ist es ja wichtig zu wissen, wie es dazu rechtlich bei uns aussieht.
Das heimliche Abhören von Gesprächen unter Berufung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist in Deutschland nicht zulässig. Wir zitieren hier mal aus einem Artikel, den wir dazu gefunden haben: „Abgesehen davon, dass die AGB nicht der richtige Ort für Informationen hierzu wären, sondern die Datenschutzerklärung, bestehen hier große datenschutzrechtliche Probleme. Das Abhören von persönlichen Gesprächen zu kommerziellen Zwecken, die dann auch noch mittels KI automatisiert analysiert werden, ist ein massiver Eingriff in die Privat- und teilweise sogar in die Intimsphäre von Menschen.“
Es kann sich schnell um sensible Daten und Informationen über z.B. Sexualität, politische Ansichten oder Gesundheitszustand handeln - und für solche Daten greift das "berechtigte Interesse” von Unternehmen nicht. Dieses “berechtigte Interesse” wird übrigens oftmals als Grundlage für Werbezwecke angeführt.
Mit Einwilligung sei es wohl möglich, Active Listening Ads einzusetzen, allerdings darf diese Einwilligung nicht stillschweigend erfolgen und oder verschleiert in Klauseln versteckt aufgeführt werden. Stattdessen müssten Nutzer klar, sichtbar und verständlich darüber aufgeklärt werden, ob und wie Gespräche aufgezeichnet werden. Weiterführende Informationen müssten zudem leicht zugänglich und nachvollziehbar bereitgestellt werden.
Summary
Dein Smartphone kann dir zuhören - es sollte es jedoch nicht. Wer sich schützen möchte, kann und sollte regelmäßig in den Einstellungen überprüfen, welche Apps es erlauben, auf das Mikrofon des Smartphones zuzugreifen, und welche nicht. Einige Smartphones zeigen ein Mikrofon-Symbol auch an, wenn eine App auf das Mikrofon zugreift. Dieses visuelle Signal kann dir helfen, verdächtiges Verhalten zu erkennen.
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